The Sound Of Silence - Simon And Garfunkel
Klar. Jetzt kommt er auch noch und hypet eine grunzende Nu-Metal-Donnerband, die aus heiterem Himmel mit dem Cover eines pseudovergeistigten Flower-Power-Liedes von 1967 kommerziellen Hochverrat begeht und die nun mit schier unglaublichem Airplay auf dem gesamten Formatradio-Spektrum fünfzig Jahre später einen Haufen Geld verdient... *augenverdreh* Die meines Erachtens exorbitante Disturbed-Version ist aber nur indirekt der Grund für diesen Blog-Beitrag. Vielmehr ist die steinalte Originalversion der Anlass zum Einstieg in den Text, die es tatsächlich schafft, jede Altersschicht in jedem Herkunftsland zu packen. Ich darf das guten Gewissens behaupten, denn es gibt nicht allzu viele Lieder, von denen ich glasklar weiß, dass ich sie schon als Vorschulkind in der DDR beeindruckend fand und sie bis heute kein Stückchen verblasst sind. The Sound Of Silence gehört definitiv dazu. Tatsächlich war eine Art Best Of Simon And Garfunkel eine Scheibe der AMIGA-Kollektion von westlichem Liedgut, das dem Arbeiter-und-Bauernvolk nicht vorenthalten wurde. Kein Wunder, dass mir mit "Bridge Over Troubled Water" sofort eine zweite solcher unverglühbaren Melodiesonnen aus frühesten Kindheitstagen einfällt. Natürlich, weil sich jene auch auf diesem staatlich verordneten Gnaden-Potpourri importierten Pressguts geduldeter amerikanischer Imperialistenkultur wiederfand. Vielmehr aber, weil eben dieser verdammt geniale Simon und sein wuschelköpfiges Samtstimmchen schon im zarten Alter vor gefühlten hundert Jahren unfassbar zeitlose Meisterwerke aus dem Ärmel schüttelten. Selbst mich präpubertäre Popelbacke aus'm Betonblock einer trostlosen grenznahen Bezirksstadt konnten diese Lieder sofort und für immer fesseln. Die traumhaft harmonisch dahingesäuselte Zweistimmigkeit zur kongenialen Zupfgitarre hat freilich recht. Schon allein, weil Simon das Stück geschrieben hat und niemand anders als Furunkel dessen Stimme einfühlsamer hätte sahnehauben können. Trotzdem kommt zum Ende noch meine stromschwimmende Hype-Bestätigung: wie geil melancholiert, singt, schmettert und donnert dieser Disturbed-Typ da bitte aktuell das Horn-alte Elite-Epos der Lagerfeuer-Musikstudenten...?
My Oh My - Slade
Ich hörte unter dem massiven Einfluss meines zehn Jahre ältere Cousins, den ich verehrte, schon mit sechs Jahren alles an Hardrock und Glam-Rock, was er durch Schwarzmarktkäufe zu horrenden Preisen mit schier unendlichen Reisetorturen im Sachsenring-Trabant seines Kumpels am Balaton oder in Budapest besorgt hatte. Später öffnete sich insbesondere auch der DDR-Jugendradiosender DT 64 und spielte verstärkt Westmugge (...doch, doch... die Schreibweise "Mucke" ist falsch, weil es sich nämlich um die Abkürzung vom MUsikalischen GelegenheitsGEschäft handelt, die übrigens meines Wissens auch aus der "Zone" stammt!). Westmugge also und zwar in voller Länge ausgespielt zum Mitschneiden, was doch deutlich dabei half, die Sammlung meines Cousins an Tonbändern umfangreich werden zu lassen. Ich traute mich, damals umzingelt von Modern-Talking-Fans, The-Cure-Jüngern und Nena-Anbetern nicht so recht, den freakigen Hardrock-Außenseiter zu geben - bis eines Tages einer von den "Großen" auf'm Schulhof mit geschultertem Stern-Radio-Recorder in Höllenlautstärke zu "My Oh My" abfeierte. "Ahhh...!", dachte ich freudig erregt, "...sowas darf man jetzt also immerhin schon hören ohne scheiße zu sein. Is' ja gar nicht mehr sooo weit bis zu Deep Purple". Ab diesem Zeitpunkt traute ich mich dazu zu stehen, Uriah Heep, Led Zeppelin, The Sweet, UFO, Whitesnake und Gary Moore gut zu finden. Die ansteckende Gutlaunigkeit dieser Slade-Hymne hatte dann bald die komplette Ossi-Dorfschule im Griff. Lyrische Meistertexte waren ja ohnehin nie der Anspruch von Slade und darauf konnte man besonders in den Untiefen der frühen DDR-Achtziger auch scheißen. Man bekam intellektuelle Texte mit versteckter System-Kritik von guten Ost-Bands wie Silly geliefert wenn man wollte - noch dazu auf Deutsch. Einen mit Noddy Holders Was-kost'-die-Welt?-Stimme so geil geschmetterten West-Monster-Ohrwurm konnte und MUSSTE man aus vielen anderen als aus textlichen Gründen einfach gut finden. Zum Beispiel aus diesem, dass der Song bis heute einfach gut ist - meiner unmaßgeblichen Meinung nach.
Space Trucking - Deep Purple
Ich weiß nicht, wie oft ich unter Kopfhörern bei meinem Cousin Deep Purples "Made In Japan" schon im zartesten Alter gehört habe. Die Scheibe wurde 1972 geboren, ich auch. Wenige Jahre später habe ich sie nicht nur gehört, sondern gegessen, inhaliert, intravenös eingeführt. Bis in alle Ewigkeit ist diese Scheibe bei mir eingebrannt, wie ein Tattoo. Und besonders "Space Trucking". Was zur Hölle machten diese Typen da? Auf genialste, bis heute nicht annähernd erreichte Weise alles auf der Bühne malträtieren, einschließlich natürlich Gillans Stimmbändern. Ein Highlight jagt das nächste. Ganze zweiundzwanzig Minuten lang. Ich lag damals mit Kopfhörern auf dem Bett, begann eine packende akustische Reise und hatte dabei das Gefühl, von tausenden glücksbringenden Ameisen durchkrabbelt zu werden. "...yeahhhh, yeahhh, yeahhh, space truckin'...!!!!" Wie kann ein Mensch so geil rumschreien? Schon bis zum letzten Chorus: unfassbar vielarmig klingende Paice-Donnergrooves, ein Blackmore-Solo voller Frische und überschäumender Energie, eine Drum-an'-Bass-Schlacht und danach die analoge Urgewalt von Blackmores Klampfe und Lord's Orgel unisono bei den ersten soooo geilen Powerchords der Rockgeschichte. Überhaupt: lauter unbegreifliche akustische Premieren - wenigstens damals für solch unbedarfte, blutjunge Ossi-Ohren wie meine: nie eine solche Röhre gehört, nie so ein geiles Getrommel, solche Klampfengeräu-sche und Orgeleskapaden. Und dann kommt ja erst der epochale Intrumentalteil... ganze Starwars-Schlachten liefen da vor meinem geistigen Auge ab, obwohl Starwars erst Jahre später erfunden wurde. Wo holte der Typ diese Geräusche her? Wie konnte eine Orgel gleichzeitig nach unendlicher Orbit-Weite, gleitenden Raumschiffen, dramatischen Monsteralien-Angriffen und Langstrecken-Abwehrraketen klingen? Dann die Klampfe. Die Nachbeben des Himmelskriegs werden von Blackmore auf's hässlichste mit dem Strat-Jammerhaken lebendig gemacht und dann folgt zu Ian Paices SCHWEINEGEILEN Halftime-Groove-Variationen in Betrachtung der Verluste die Trauermelodei mit dem gefühlvoll hereingepitchten Volume-Poti - für mich schon wieder eine Premiere, bezüglich Gitarrenspieltechnik. Überhaupt spiele ich, glaube ich, nur wegen "Space Trucking" eigentlich Gitarre. Zumindest wegen "Made In Japan". Sicher sogar. So. Schluss mit dem Roman.. Ich muss jetzt SOFORT mal wieder "Space Trucking" hören...
Gary Moore - Take A Little Time
...auch eine frühe bleibende Erinnerung: ein Kerl aus der siebten Klasse meiner Schule fragte mich, wer denn bei "Peter's Pop Show" so schön Gitarre gespielt habe. Trotzdem das 1987 eines der größten Musik-Events Europas mit wahrscheinlich fünfzig Live-Acts oder mehr war, antwortete ich sofort triumphierend: "Na, Gary Moore." Klar war das auch 1987, knapp vor Grenzöffnung - im Alter von 15 Jahren - , noch an sich aufregend genug, sich am nächsten Tag auf dem Schulhof über solch eine gigantische Show im Westfernsehen auszutauschen. Trotzdem fand ich es noch aufregender, schon länger ein Fan von Moores elektrisierendem Gitarrenspiel und seiner stählernen Stimme zu sein, in dem Moment, als er gerade erst diesen Mitschüler ebenso schwer beeindruckt hatte. Keine Frage: Gary Moores irisch gefärbte Rockhymnen mit den unspielbar klingenden Soli zählen zu meinen frühen musikalischen Initialzündungen mit All-Time-Favorisierung. Das taten sie übrigens schon lange bevor er mit "Still Got The Blues" richtig berühmt wurde, was ich wohl auch meinem Cousin zu verdanken habe.
Queen - We Will Rock You
Auch so eine Lizenzveröffentlichung der staatlichen Schallplattenfabrik AMIGA. Queen durfte sein in der DDR. Zumindest eine Best-Of-Platte, geschmückt mit diesem weißen, sehr androgyn und divenhaft wirkenden Coverfoto. Nicht nur Freddy Mercury, sondern alle Queenmänner sahen fürchterlich elitär, superstarmäßig und gar nicht männlich aus auf diesem Foto - kennt jeder Fan, das Motiv. Ein Wunder, dass Honecker der Veröffentlichung einer solchen optischen West-Eskapade zugestimmt hatte... Es waren die bis dato größten Hits auf dieser Scheibe vertreten, somit ist "We Will Rock You" nur eher beispielhaft für meine frühkindliche Queen-Begeisterung. Aber klar - mir geht's besonders mit diesem Song wie es jedem geht: wer kann sich schon der stampfenden Hypnose des simplen Mitmach-Grooves entziehen, der packenden Kampfansage von Freddys einmaligem Organ und dem niederschmetternden Street-Chor? Ganz zu schweigen von Brian Mays unnachahmlichem Solosound und der erschütternd frechen Genialität, das Werk nach nur 02:15 Minuten abrupt und ungespitzt in den Boden zu rammen...